Rüstzeug fürs Leben – Wie wir Kinder stark machen

Manche Menschen wachsen an Herausforderungen und andere zerbrechen daran.

Alle Eltern wünschen sich für ihre Kinder, dass sie stark werden, sich nicht unterkriegen und nicht entmutigen lassen, sondern mit schwierigen Situationen umgehen lernen und Belastendes überwinden können.

Unser Erbgut bestimmt wie Hormone und Botenstoffe in unserem Körper wirken, z. B. Serotonin und Oxytocin. Das sind die Stoffe, die dafür zuständig sind, ob wir freudig, traurig oder ängstlich sind. Wie die Moleküle transportiert werden und wie sie abgebaut werden hat einen Einfluss darauf, ob ein Mensch beispielweise zu Depressionen oder Ängsten neigt, sich schnell überfordert fühlt oder die Ruhe selbst ist.

Es gibt Babys und Kleinkinder, die mehr Hilfe bei der Stressregulation brauchen als andere. Sie sind z. B. unruhiger, schreien mehr, kommen schwerer in den Schlaf, haben ein empfindlicheres Stressleitungssystem.

Eltern können mit Trost, Nähe, Geduld und einem feinfühligen Umgang mit dem Kind Belastungen ausgleichen. Dann spielt sich der Hormonhaushalt des Kindes auf einem guten Level ein.

Ist ein Kind aber genetisch vorbelastet, macht zusätzlich unsichere Bindungserfahrungen und bekommt wenig Zuwendung, dann kann das die Entwicklung eines gesunden Stresssystems beeinträchtigen.

Schon ab dem zweiten Drittel der Schwangerschaft beginnt die Prägung des Stresssystems beim Ungeborenen.
Bei normalem Alltagsstress verhindert ein Enzym, dass das Cortisol der Mutter den kindlichen Kreislauf erreicht.
Natürlich ist es dennoch wichtig auf genügend Ruhepausen und das eigene Wohlbefinden zu achten.
Wenn die werdende Mutter aber chronisch gestresst ist z. B. durch schwere Partnerschaftskonflikte, Trauer um nahe Angehörige oder eine eigene Angsterkrankung, dann wird dieses Enzym quasi abgeschaltet und das kindliche Gehirn mit Stresshormonen überflutet. Körpereigene Regelkreise können dann außer Kontrolle geraten.

Bei einer Geburt ohne Komplikationen werden Botenstoffe von Mutter und Kind, wie Oxytocin und Opioide so aufeinander eingestellt, dass das Kennenlernen für beide Seiten glücklich verläuft.

Bei einer stressigen Geburt kann es aber passieren, dass das Neugeborene sehr unruhig auf die Welt kommt, weil sein Oxytocin-System nicht optimal funktioniert. Und Oxytocin braucht es um Stress abzubauen. Wie eine Geburt verläuft hat man aber leider nicht in der Hand.
Und das bedeutet auch nicht, dass die Kinder später seelisch instabil sind.

Wenn ein Kind reizbarer auf die Welt kommt als ein anderes, dann ist das ein Ergebnis von Prägungen und bisherigen Erfahrungen. Es ist also niemand schuld daran. Man steht dem allerdings nicht machtlos gegenüber. Denn ein hohes Maß an Zuwendung, Körperkontakt, Verlässlichkeit und Verständnis hat einen positiven Einfluss auf das Cortisol- und Oxytocin-System. Liebe und Fürsorge gleichen also Stress aus.

Kinder brauchen keine perfekten Eltern und es ist auch gar nicht zu schaffen durchgehend feinfühlig und geduldig zu sein.
Aber sie brauchen eine gute Basis. Voraussetzung dafür ist in den ersten Monaten und Jahren, die Gefühle der Kinder wahrzunehmen und mit Worten und dem Gesichtsausdruck zu spiegeln. Also das Gefühl zu beschreiben, wenn sie traurig, wütend oder auch fröhlich sind, damit sie verstehen was mit ihnen los ist und spüren, dass sie ernst genommen werden. Und manche Kinder brauchen etwas mehr Geduld und Unterstützung als andere.

Wenn man als Kind gelernt hat, dass alle Gefühle erlaubt sind, man also einen guten Zugang zu den eigenen Emotionen hat, gelingt es einem besser mit schwierigen Situationen umzugehen. Man spricht auch von Resilienz. Resilient sind Menschen, die es schaffen Krisen zu überwinden und nach vorn zu schauen.

Meike Kollmeyer